Friedrich Rückert
male (1788–1866)
Translations
50-
Bai hua 白華: Lied einer verstoßenen Kaiserin (Anonymous (Shijing))
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Zu der Pflanze Kjen im weißen Blütenglanz Naht die Pflanze Mao, sie zu umfassen. Aber er hält von mir fern sich, er hat ganz Gänzlich mich verlassen. Weiße Himmelswolken schimmern falben Lichts, Auf die Pflanzen ist der Thau gefallen. Mein der Kummer, mein die Thränen, aber nichts Kümmert ihn von allen. Schmales Bächlein nimmt gen Norden seinen Gang, Und das Reisfeld wird es reichlich tränken. Meinen Seufzer weih' ich, meinen Leidgesang Deinem Angedenken. Mit dem Holz vom Maulbeerbaum Schür' ich an mein Feuer; Glühend mir im Herzensraum Steht ein Ungetreuer. Vom Palast her tönet hell das Glockenspiel, Und die Seele wird davon mir trüber. Wenn von dort auf mich einmal sein Auge fiel, Eilt er gleich vorüber. In des Waldes Firsten wohnt der Adelaar, Und der Storch auf jener hohen Zinne; Doch der Schmerz um einen Edlen hoch und klar Wohnt in meinem Sinne. Dort Yün-Yang, das ungetrennte Vogelpaar, Wohnt am Flußdamm, Schwing' an Schwinge lehnend. Aber er ist nun ein andrer als er war, Nicht nach mir sich sehnend. Wenn der Fuß sich stößt am Stein, Bückt man sich vor Schmerzen; Und von ihm getrennt zu seyn, Schmerzt mich tief im Herzen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 261f. –
in: Wollheim da Fonseca, Anton Edmund. Die National-Literatur sämtlicher Völker des Orients. Eine prosaische und poetische Anthologie aus den besten Schriftstellern des gesamten Orients. Berlin: Verlag von Gustav Hempel, 1869. p. 827. -
Bai ju 白駒: Das eingefangene Füllen (Anonymous (Shijing))
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Von Farb' ein Füllen glänzend weiß Soll weiden würz'ges Kraut in meinem Garten; Gekoppelt sey sein Fuß mit Fleiß, Und Stricke binden seinen Hals den zarten. Verweilen soll den Tag der Gast, Und sich bei uns erfreun der Rast. Von Farb' ein Füllen glänzend weiß Soll in den Bohnen meines Gartens weiden; Gebunden an den Füßen sey's, Und um den Nacken soll den Strick es leiden. Verweilen soll die Nacht der Gast, Ruhn von des Tages Müh und Last. Des Füllens Farb' ist glänzend weiß. O edler Gast von fürstlichem Geschlechte, Dein Rasten uns gereicht zum Preis; Was ist das Störung deiner Ruhe brächte? Dein Ehrgeiz hemme seine Hast, Und gönne dir die kurze Rast.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 198f. -
Bao yu 鴇羽: Kriegszüge (Anonymous (Shijing))
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Die Vögel ziehn nach Westen, Und ruhen unterwegs auf dürren Aesten. Nicht Aufschub will noch Unterlassen Der Dienst des Kaisers uns vergönnen, Daher wir Haus und Hof verlassen, Und unser Feld nicht bauen können. Wer pflanzet unsre Aehren, Die Eltern zu ernähren? Wie lang', o blauer Himmel, Soll unser Umziehn währen! Die Vögel ziehn nach Osten, Und dürfen kurze Ruhe nur verkosten. Des Reiches Angelegenheiten Sind werth den unsern vorzugehn; Es gilt für's große Reich zu streiten, Und unsre Pflüge bleiben stehn. Wer sieht nach meinem Maise Für's Elternpaar das greise? Wann, o du blauer Himmel, Wird enden diese Reise! Die Vögel ziehn nach Süden, Und ruhn nicht aus, als bis sie ganz ermüden. Der Ruf der Pflicht hat mich entrissen Der stillen Ruh an meinem Herde; Mein Feld muß seinen Pflüger missen, Und ihren Hirten meine Herde. Das Wasser fehlt dem Reise, Den Eltern fehlt die Speise. Wann, o du blauer Himmel, Kehr' ich in meine Gleise?–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 132f. -
Bei feng 北風: Landräumung (Anonymous (Shijing))
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Kalte Wind' aus Norden wehen, Eis'ger Regen fällt und Schnee. Liebe Freunde, laßt uns gehen, Hebt die Händ' und sagt Ade! Laßt uns eilen, laßt uns eilen; Keine Stätt' ist hier zu weilen. Furchtbar wehn die nord'schen Winde, Und der kalte Regen rauscht. Freunde, laßt uns gehn geschwinde; Schnell den Abschied ausgetauscht! Laßt uns räumen, laßt uns räumen; Hier im Land ist nicht zu säumen. Lauter rote Füchse sehet, Lauter Raben sehet ihr, Böse Zeichen, wo ihr gehet; Freunde, wohin gehet ihr? Laßt uns bleiben, laßt uns bleiben, Weil zurück die Zeichen treiben. Lauter rote Füchse sehen, Lauter Raben sehen wir; Dennoch, Freunde, laßt uns gehen! Schlimmer kann's nicht seyn als hier. Laßt uns weichen, laßt uns weichen! Wo die Noth treibt, gilt kein Zeichen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 56f. -
Bei men 北門: Staatsgeschäft und Hausversäumniß (Anonymous (Shijing))
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Aus der goldnen Pforte schreit' ich, Und der Bürd' erlieg ich fast; Wie behaupt' ich, wie bestreit' ich, Meine Würde, meine Last? Alles führ' ich, alles leit' ich, Von der Hütte zum Palast. Nun, es ist des Himmels Rath, Dem man sich zu fügen hat; Alles Murren kommt zu spat. Im Geschäft des Fürsten geh' ich, Das Geschäft ist schwer genug. Wohin wend' ich mich und dreh' ich? Neue Sorg' ist stets im Zug. Nie nach meinem Hause geh' ich, Oder nur einmal im Flug. Nun, es ist des Himmels Rath, Dem man sich zu fügen hat; Alles Murren kommt zu spat. Bin ich einst im Haus erschienen, Wie verlass' ich es geschwind! Denn mit unzufriednen Mienen Grüßen dort mich Weib und Kind. Lange blieb ich fern von ihnen, Das ist ihnen ungelind. Nun, es ist des Himmels Rath, Dem man sich zu fügen hat; Alles Murren kommt zu spat. Wenn ich keine andern hätte Als die Sorg' um Weib und Kind! Gegen Ordensband und Kette Scheinen ihre Augen blind. Ja, es murret um die Wette Gegen mich mein Hausgesind. Nun, es ist des Himmels Rath, Dem man sich zu fügen hat; Alles Murren kommt zu spät.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 55f. -
Bei shan 北山: Ungleiches Loos (Anonymous (Shijing))
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Mein Viergespann hat keine Rast, Und keine Ruhe gönnen meine Pflichten; Sie treiben mich in steter Hast Gebote meines Kaisers auszurichten. Den Kaiser freut, daß ich alt Noch nicht geworden, frisch noch bin von Kräften, Um rüstig und ohn' Aufenthalt Durch's Reich zu ziehn in wichtigen Geschäften. So ist es! Einer schwelgt zu Haus, Und wird nur krank von vielem Speis' und Tranke; Ein andrer hungrig muß hinaus, Daß er vom Ungemach der Reis' erkranke. Der eine schließt in's Ruhgemach Sich ein, um müssig Scherz und Lust zu haschen; Ein anderer, in Sorgen wach, Nimmt sich die Zeit nicht, sein Gesicht zu waschen. Der eine, bauend auf die Huld Des Kaisers, thut und redet nach Belieben; Ein andrer fürchtet stets die Schuld, Daß er sein schwer Geschäft nicht recht betrieben.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 232f.
Excerpt of the 3rd to 6th stanza of the original poem. -
Bi gong 閟宮: Die Dankbarkeit Tsching-Wang's (Anonymous (Shijing))
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Also sprach Tsching-Wang, der junge Kaiser, Mit Tschiu-Kong, dem Ohm, der ihn erzogen: O mein Oheim, o mein Unterweiser, Als mir früh der Vater ward entzogen, Warest du mit früh und spater Mühe mir ein andrer Vater, Und mein Herz bleibt sehnlich dir gewogen. Also sprach Tsching-Wang, der junge Kaiser: Ewig dankbar hütet mein Gemüthe Das Gedächtnis dessen, wie mit weiser Mäßigung du zogst an deiner Blüte; Aber was du für mich ohne Schonung thatst an deinem Sohne, Fordert daß ich's deinem Sohn vergüte. Also sprach Tsching-Wang, der junge Kaiser: Nicht vergessen hab' ich alle Strengen, Die du an ihn wandtest, um mit leiser Nöthigung zum Guten mich zu drängen; Wie ihn den Unschuld'gen trafen Die von mir verdienten Strafen, Sah ich doch mit Lieb' an mir ihn hängen. Also sprach Tsching-Wang, der junge Kaiser: Pe-King hat die Treu' mit seinem Blute Mir besiegelt, wenn ihn trafen Reiser, Wo mich treffen durfte nicht die Ruthe. Bin ich werth der Kaiserkrone, Dank' ich dir's und deinem Sohne, Ihm gelohnt sey's mit dem Fürstenhute! Also sprach Tsching-Wang, der junge Kaiser: Ihm gegeben sey das Land im Osten, Lu das Fürstenthum, daselbst beweis' er Mir die alte Treu' im neuen Posten. Berge, Flüße, Völker, Heere, All der Herrschaft bis zum Meere Nehm' er ein, und sey dem Reich ein Pfosten. Pe-King Bruder, Sproß vom Stamm der Kaiser, Segnend blickt auf dich Wen-Wang mein Ahne. Herrsche, wie ich hier, und seine Preiser Finde jedes dort von dir gethane! Führe gleiches Hofgepränge, Ahnentempel, Festgesänge, Und des Drachen Bild in deiner Fahne!–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 352f.
Excerpt -
Bi gong 閟宮: Die Lieder der Fürsten von Lu, 3. "Festwunsch" (Anonymous (Shijing))
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Dem Fürsten, der gebeut in Lu, Sey von dem Himmel nach Verdienst gelohnet, Mit Reichthum, Frieden, Macht und Ruh Und blüh'ndem Glück des Landes wo er wohnet. Was er von Ahnen überkam, Mög' er den Enkeln aufbehalten, Mit Ehren Neues thun zum Alten, Und wieder nehmen, was man nahm. Es freu' ihn ein getreues Weib, Und einer frommen Mutter langes Leben, Ein frischer Geist und froher Leib, Und Diener die ihm gute Räthe geben. Viel Volkes sey ihm unterthan, Und ungezählet seine Jahre; Und wenn ihm bleichen seine Haare, Bleib' ungestumpft ihm jeder Zahn.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 357f.
Abr. -
Bi gou 敝笱: Abschiedslied für dieselbe (Anonymous (Shijing))
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Das Netz, es gieng in Stücke, Man hängt es an die Brücke, Der Fisch hat freies Spiel. Sie zieht mit freien Sinnen, Die Schmach der Königinnen, Und mit ihr ziehen Mägde viel. Das Netz, es gieng in Stücke, Man hängt es an die Brücke, Die Fische spielen frei. Die Schmach der Königinnen Und ihre Dienerinnen, Sie ziehn als ob ein Fest es sei. Das Netz, es gieng in Stücke, Man hängt es an die Brücke, Die Fische ziehn nach Lust. Mit ihren Dienerinnen Die Kön'gin zieht von hinnen, Und für das Land ist's kein Verlust.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 115f. -
Biao you mei 摽有梅: Die Dringliche an ihre Freier (Anonymous (Shijing))
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Alle Pflaumen sind vom Baum gefallen, Und daran sind nur noch sieben; Wer mich frey'n will von den Freyern allen, Mög er's nicht verschieben! Alle Pflaumen sind vom Baum gefallen, Nur noch drey sind dran geblieben; Wer mich frey'n will von den Freyern allen, Sey er angetrieben! Alle Pflaumen sind vom Baum gefallen, Wer wird in den Korb sie schieben? Wer mich frey'n will von den Freyern allen, Lass' es sich belieben!–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 24f. -
Bin zhi chu yan 賓之初筵: Festgebräuche (Anonymous (Shijing))
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Die Gäste setzen sich zur Rechten und zur Linken, Die vollen Schüsseln stehn, die vollen Becher winken, Und werden leer der Reihe nach; Der Quell der Freude wird ein Bach, Der Bach ein Strom, der Strom ein Meer, und alle trinken. Die Säft' erheben sich im Klang von Glockenspielen, Die Bogen nehmen sie um mit dem Pfeil zu zielen; Was jeder kann, nun zeig' er das! Und wer das Ziel trifft, reicht das Glas Zum Leeren jenem, dem die Pfeil' ins Leere fielen. Nun wird zur höchsten Lust der Friedenstanz erkohren, Wozu die Flöte tönt gefügt aus vielen Rohren. Und wer durchkreist hat seine Bahn, Der opfert dankbar seinem Ahn, Von welchem er herab ins Leben ward geboren. Hat jeden frommen Brauch nicht unser Wirth vollendet? Des Himmels Segen bleibt dafür ihm zugewendet. Dein Glück soll blühen unverdorrt Auf Enkel und Urenkel fort! Darauf hat jeder Gast sein letztes Glas gespendet.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 253f.
Excerpt of the first two stanzas of the original poem. -
Bin zhi chu yan 賓之初筵: Chinesisches Trinklied (Anonymous (Shijing))
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Uns're Gäste werden trunken Und der Anstand höret auf. Ihre Augen sprühen Funken Und die Zung' hat freien Lauf. Die verschob'nen Mütze schwanken, Hangen nur an einem Haar; Steife Bein' im Tanze wanken, Alte Stimmen singen klar. Da du mir nur Becher leerest, Bist du schon wie ausgetauscht: Wenn du um noch einen kehrtest, Wärest du wohl gar berauscht. Zwar ich muß mich deiner schämen, Weil ich völlig nüchtern bin; Doch willst du mit heim mich nehmen, Führe sacht' mich immerhin! Zwar du führest mich in Pfützen, Doch mir selber schwankt der Kopf. Laß auf deinen Arm mich stützen, Und ich halte dich beim Schopf.–
in: Menzel, Wolfgang (ed.). Die Gesänge der Völker. Leipzig: Verlag von Gustav Mayer, 1851. –
in: Grabow, Hans (ed.). Die Lieder aller Völker und Zeiten, in metrischen deutschen Uebersetzungen und sorgfältiger Auswahl. Hamburg: Verlag von G. Kramer, 1880. p. 446. -
Bin zhi chu yan 賓之初筵: Die Trunknen (Anonymous (Shijing))
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Unsre Gäste werden trunken, Und der Anstand höret auf. Ihre Augen sprühen Funken, Und die Zung' hat freien Lauf. Die verschobnen Mützen schwanken, Hangen nur an einem Haar; Steife Bein' im Tanze wanken, Alte Stimmen singen klar. Da du mir nur Becher leertest, Bist du schon wie ausgetauscht; Wenn du um noch einen kehrtest, Wärest du wol gar berauscht. Zwar ich muß mich deiner schämen, Weil ich völlig nüchtern bin; Doch, willst du mit heim mich nehmen, Führe sacht mich immerhin! Zwar du führest mich in Pfützen, Doch mir selber schwankt der Kopf. Laß auf deinen Arm mich stützen, Und ich halte dich beim Schopf.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 249.
Note that the title of the poem is "Die Trunkenen" in the table of contents and "Die Trunknen" above the poem itself. -
Bin zhi chu yan 賓之初筵: Der Weinvogt (Anonymous (Shijing))
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Mit vielen Höflichkeitsgeberden Sie setzen sich und gegenseit'gem Neigen; Doch wenn sie naß vom Weine werden, Wie bald sich ihre Sitten anders zeigen! Nicht sitzen wollen sie mit Schweigen, Sie wollen lernen, wollen singen, Sie wollen hüpfen, tanzen, springen, Und alles thun was nur dem Rausch ist eigen. Wol ist ein Vogt gesetzt beim Mahle, Und ein Gehilf' auch ihn zu unterstützen; Doch wenn er selber aus der Schaale Zu tief genippt, wer kann die Würd' ihm schützen? Kann wol sein eignes Lallen nützen Der Zungen Ungebühr zu zäumen? Er selber läßt es überschäumen; Will er's verargen, wenn wir was versprützen?–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 254f.
Excerpt of stanza 3 to 5 of the original poem. -
Bo xi 伯兮: Trauer um Pe-Hi (Anonymous (Shijing))
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Mein Pe-Hi ist kühn und stark, In der ganzen Mark ihm gleich kein Schläger; Mein Pe-Hi schwingt seinen Speer, Geht vor'm König her als Waffenträger. Mein Pe-Hi nach Osten gieng, Seitdem hieng das Haar mir spröd' und trocken; Und die wirren Locken sind Gleich vom Wind verwehten Distelflocken. Ob's an Salben mir gebricht? Nein! doch nicht bedien' ich mich der Salben. Wem zu Liebe sollt' ich so Thun und froh mich schmücken wessenthalben? Daß es regne, regne doch! Aber hoch aus Wolken taucht die Sonne. Sein gedenkend, brennt mein Haupt; Nie geraubt sey mir des Schmerzes Wonne! Pflanze der Vergessenheit Wächst von hier nicht weit in einem Garten; Pflückt ihr sie ohne Scham! Ich will meinen Gram im Herzen warten.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 79f. –
in: Sekles, Bernhard (ed.). Aus dem Schi-King. Leipzig: D. Rahter, 1907. p. 7. -
Bo zhou "Fan bi bo zhou, yi fan qi liu" 柏舟 "汎彼柏舟,亦汎其流": Klage einer ungeliebten Gattin, 1. "Auf dem Wasser schwankt der Nachen" (Anonymous (Shijing))
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Auf dem Wasser schwankt der Nachen, geht nicht wie und wo er will, Sondern wie es treibt den schwachen, Folget er und seufzet still. Also fühl' ich mich getrieben Von dem Manne, den ich lieben Muß, wiewol er kund mir giebt, Daß er selber mich nicht liebt. Soll ich's meinen Brüdern klagen, Wie der Gatte mich verletzt? Meine Brüder werden sagen: Deines Gatten bist du jetzt. Ach, den Brüdern ist entrissen Und die Eltern muß vermissen Eine arme, die den Mann, Nicht den Freund in ihm, gewann. Mein Gemüth ist nicht ein Spiegel offen lachend in den Tag, Noch ein Stein, den man vom Hügel Wälzen kann wohin man mag, Noch ein Teppich, nach Behagen Auf und wieder zu zu schlagen; Nach der Richtschnur strenger Pflicht Leb' ich, nur zu Dank ihm nicht. Um das Loos der armen Frauen Klag' ich, nicht um meines blos. Auf ein lieblos Herz zu bauen Herzenslieb', o hartes Loos! Die verschmähte, die gekränkte, Schweigend in sich selbsr gesenkte, Fühlt erwachend ihren Schmerz, Und im Schlaf ihr wundes Herz. Leuchtend wechseln Mond und Sonne Golden silbernes Geschmeid, Doch mein Gram mit keiner Wonne Wechselnd, wechselt nur mit Leid. Seh' ich gleich in Seufzerhauchen Ganz das Leben mir verrauchen, Wird es doch so leicht kein Duft, Zu verschwimmen in der Luft.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 32-34. –
in: Oehlke, Waldemar. Chinesische Lyrik und Sprichwörter. Bremen-Horn: Walter Dorn-Verlag, 1952. p. 17. –
in: Mehlig, Johannes (ed.). Stimmen des Orients: Arabische, persische, indische und chinesische Dichtungen. Leipzig: Insel-Verlag, 1965. p. 242-244. -
Bo zhou "Fan bi bo zhou, zai bi zhong he" 柏舟 "汎彼柏舟,在彼中河": Standhafte Treue (Anonymous (Shijing))
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Ich schwöre meinen höchsten Eid: Verbunden bleib' ich meinem Leid, Und ehr werd ich den Tod erwählen, Als einem andern mich vermählen. Die Mutter hat mir Gut's erwiesen, Ihr dankbar seyn, ist meine Pflicht. Sie sey gesegnet und gepriesen; Doch meinen Sinn versteht sie nicht. Ich schwöre meinen höchsten Eid: Verbunden bleib' ich meinem Leid, Und ehr werd' ich den Tod erwählen, Als einem andern mich vermählen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 66. -
Cai fan 采蘩: Ruhige Anordnung (Anonymous (Shijing))
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Wo man sammelt Fan das Kraut, Dort die Se'en sind's, die Teiche; Aber dem es wird gebaut, Ist Kong-Hiu der Fürst, der reiche. Einzusammeln Fan das Kraut, Gehen wir zum feuchten Thale; Der das heimgebrachte schaut, Ist der Fürst im weiten Saale; Wo er auf und nieder schreitet, Ordnend uneilfertig still, Daß man aus dem Kraut bereitet, Was er draus bereiten will. Mit geschmücktem Haare steht er Von früh Morgens bis zur Nacht, Und mit unverwirrtem geht er, Wenn er alles sieht vollbracht.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 19f. -
Cai ge 采葛: Zeitmaß (Anonymous (Shijing))
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Blüten brech ich von dem Hage, Aber wenn ich dich, mein Licht, Seh' an einem Tage nicht, Dünkt der Tag mir sieben Tage. Gras und Laub hab' ich gebrochen, Aber bleibst, o Freudenstern, Du mir eine Stunde fern, Wird die Stunde mir zu Wochen. Blumen flecht' ich in die Haare, Aber darf ich mit Vertraun Dir nicht Aug' in Auge schaun, Wird der Augenblick zum Jahre.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 86. –
in: Jolowicz, Heinrich. Der poetische Orient. Leipzig: Verlag von Otto Wigand, 1853. p. 11. –
in: None p. 256. –
in: Jolowicz, Heinrich. Blüthenkranz morgenländischer Dichtung. Breislau: Verlag von Eduard Trewendt, 1860. –
in: Oehlke, Waldemar. Seele Ostasiens. Chinesisch-japanischer Zitatenschatz. Berlin: F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung, 1941. -
Cai ling 采苓: Die Verbreiter beunruhigender Nachrichten (Anonymous (Shijing))
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Fu-Ling, die Trüffel, wird gegraben, Am Berg Schiu-Yang. O welche Mühe sie sich gaben, Und wühlten lang. Sie wühlten lang und gruben Nach Heimlichkeit, die Buben, Die bös Geschwätz erhuben. Ihr Edlen, laßt sie schnüffeln Nach den verborgnen Trüffeln! Verachtet die Gerüchte, Die außsprengt das Gezüchte; Beseitigt sie, beseitigt Von euch die Lügenfrüchte, Nehmt sie nicht an! sie sind nicht gut gezeitigt. Ku-Tsai, der Lattig, wird gelesen Am Berg Schiu-Yang. O wie sie fleißig sind gewesen, Und lasen lang. Sie lasen lang und pflückten, Und bogen sich und bückten, Und logen und berückten. Laßt, lasset ihren Lattig! Er wuchs an Orten schattig; Nichts taugt mit Stiel und Stumpfe Das Lügenkraut das dumpfe; Verschmähet es, verschmäht es, Das Schandgewächs vom Sumpfe, Nehmt es nicht an! wer es genießt, den bläht es.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 131f. -
Cai lü 采綠: Erinnerung (Anonymous (Shijing))
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Bis zum Abend hab' ich Lauch gepflücket, Und die Hand ist mir nicht voll geworden. Ungekämmt mein Haar ist ungeschmücket; Kämmen werd' ich's, wann du kehrst vom Norden. Bis zum Abend las ich Hirsenähren; Was ich hüben las, fiel drüben nieder. Er versprach am fünften Tag zu kehren; Sechs vergiengen, und er kehrt nicht wieder. Wär' er auf die Jagd gegangen, Hätt' ich ihm gereicht den Bogen; Oder wollt' er Fische fangen, Hätt' ich ihm die Angelschnur bezogen. Welche Fische wird er fangen? Alle kurzen, alle langen, Spiegelkarpfen deren Flossen glänzen, Und Forellen mit gebognen Schwänzen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 260. -
Cai pin 采蘋: Pflanzenopfer (Anonymous (Shijing))
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Die Wasserpflanze Ping, Und Tsao die Wasserpflanze; Sie glänzet nicht gering, Sie steht im vollen Glanze. Die Wasserpflanze Ping, Und Tsao die Wasserpflanze, Sie steh'n im vollen Glanze, Wo ich sie suchen ging, Wo an dem Fluß im Süden Das Wasser überschwoll, Wir pflücken ohn' Ermüden, Bis unser Korb ist voll. Der Korb ist voll geworden, Der enge, bis zum Rand, Und der mit weiten Borden Bis an die halbe Wand. Zur frischen Pflanze schöpfen Wir frisches Wasser auch. Nun kocht's in reinen Töpfen, Am Feuer ohne Rauch. Und wenn nun sind vom Eppich Die beiden Arten gar, So breitet aus den Teppich, Und bringt die Speise dar! Wo breiten wir den Teppich Von bunten Darben aus? Wo stellen wir mit Eppich Die Schüssel auf im Haus? Da wo die offne Halle Hinab gen Süden schaut, Dort an dem Mauerwalle, Der westwärts ist gebaut. Dort, wo vorüber gehen Im Sonn- und Mondenstrahl Die Geister, um zu sehen Das dargebot'ne Mahl. Wer stehet vor der Feier? In würdiger Gestalt Die Hausfrau mit dem Schleier, Von Jahren nicht zu alt. Wer spielet auf zur Feier Mit sanftgedämpftem Ton? Der Hausherr auf der Leier, Und auf der Flöt' ein Sohn.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 20-22. –
in: Wollheim da Fonseca, Anton Edmund. Die National-Literatur sämtlicher Völker des Orients. Eine prosaische und poetische Anthologie aus den besten Schriftstellern des gesamten Orients. Berlin: Verlag von Gustav Hempel, 1869. p. 104.
Note that the version in Rückert's book "Schi-King. Chinesisches Liederbuch" from 1833 has slight differences in wording and spelling. The translation noted here is from "Die National-Literatur sämtlicher Völker des Orients" from 1869. -
Cai qi 采芑: Fang-Schu's Kriegslied (Anonymous (Shijing))
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Die Vögel Sun erheben sich zum Himmel Und lassen dann sich nieder mit Gewimmel. Fang-Schu, der Feldherr, führt sein Heer, Dreitausend Wagen oder mehr, Sein Heer ist gut, den Feind zu schlagen. Fang-Schu, der Feldherr, ziehet aus, Die bunten Rosse zieh'n mit Braus Die Reihen viergespannter Wagen. Roth ist bemalt der Wagenrand, Das Inn're weiche Mattenwand; Die Köcher sind von Fisches Fell, Der Rossen Nacken tönen hell Von Zaum und Zügel, goldbeschlagen. Die Vögel Sun erheben sich zum Himmel; Wo wird sich niederlassen ihr Gewimmel? Fang-Schu, der Feldherr, führt sein Heer, Dreitausend Wagen, goldschmuckschwer, Die hohen Fahnen flattern schwingschwang. Fang-Schu, der Feldherr, zieht mit Braus; Wie strahlet Glanz sein Wagen aus! Und seine Klingeln gehen klingklang. Die Riemen schwanken gelb und Roth; Er steht, geschmückt mit Machtgebot, Im Wagen wie ein Blüthenstrauch, Mit Edelsteinen, grün wie Lauch, Die an ihm leise schüttern tingtang. Die Vögel Sun erheben sich zum Himmel, Und welches Land bedecket ihr Gewimmel? Fang-Schu, der Feldherr, führt sein Heer, Dreitausend Wagen reich an Wehr, Sie treiben wohl den Feind zu Paaren. Fang-Schu, der Feldherr, zieht voraus, Es tönet laut der Trommeln Braus, Und wohlgeschaart zieh'n alle Schaaren. Zum Angriffszeichen g'nüget schon Den Muth'gen ein gelinder Ton; Doch soll's des Rückzugs Zeichen sein, - Und soll'n wir ihm Gehör verleih'n, So dürft ihr nicht die Trommel sparen. Ihr Leute von Man-King seid wild unbändig, Das große Reich bekämpft ihr unverständig. Fang-Schu, der Feldherr, hochbetagt, Von Herzen frisch und unverzagt, Zieht aus und führt, was er gefangen. Wie groß ist seines Wagens Macht, Der lauter als der Donner kracht, Und wie der Blitz erweckt er Bangen. Fang-Schu, bewährt in seinem Thun, Zwang das Rebellenvolk Hinn-Yun; Und als davon die Kund' erging, Erschrocken kam das Volk Man-King, Des Reichs Befehle zu empfangen.–
in: Grabow, Hans (ed.). Die Lieder aller Völker und Zeiten, in metrischen deutschen Uebersetzungen und sorgfältiger Auswahl. Hamburg: Verlag von G. Kramer, 1880. p. 187f. -
Cai qi 采芑: Kriegslied (Anonymous (Shijing))
Display translation
Die Vögel Sun erheben sich zum Himmel Und lassen dann sich nieder mit Gewimmel. Fang-Schu, der Feldherr, führt sein Heer, Dreitausend Wagen oder mehr, Sein Heer ist gut den Feind zu schlagen. Fang-Schu, der Feldherr, ziehet aus, Die bunten Rosse zieh'n mit Braus Die Reihen viergespannter Wagen. Roth ist bemalt der Wagenrand, Das Inn're reiche Mattenwand; Die Köcher sind von Fisches Fell, Der Rosse Nacken tönen hell Von Zaum und Zügel, goldbeschlagen. Die Vögel Sun erheben sich zum Himmel; Wo wird sich niederlassen ihr Gewimmel? Fang-Schu, der Feldherr, führt sein Heer, Dreitausend Wagen goldschmuckschwer, Die hohen Fahnen flattern schwingschwang, Fang-Schu, der Feldherr, zieht mit Braus; Wie strahlet Glanz sein Wagen aus! Und seine Klingeln gehen klingklang. Die Riemen schwanken gelb und roth; Er steht geschmückt mit Machtgebot, Im Wagen wie ein Blüthenstrauch, Mit Edelsteinen grün wie Lauch, Die an ihm leise schüttern tingtang. Die Vögel Sun erheben sich zum Himmel Und welches Land bedecket ihr Gewimmel? Fang-Schu, der Feldherr, führt sein Heer, Dreitausend Mann reich an Wehr, Sie treiben wol den Feind zu Paaren. Fang-Schu, der Feldherr, zieht voraus, Es tönet laut der Trommeln Braus, Und wohlgeschaart zieh'n alle Schaaren. Zum Angriffszeichen genüget schon Den Muth'gen ein gelinder Ton; Doch soll's des Rückzugs Zeichen sein Und soll'n wir ihm Gehör verleih'n, So dürft ihr nicht die Trommel sparen. Ihr Leute von Man-king, seid wild unbändig. Das grosse Reich bekämpft ihr unverständig. Fang-Schu, der Feldherr, hochbetagt, Von Herzen frisch und unverzagt, Zieht aus und führt, was er gefangen. Wie gross ist seines Wagens Macht, Der lauter als der Donner kracht, Und wie der Blitz erweckt er Bangen. Fang-Schu, bewährt in seinem Thun, Zwang das Rebellenvolk Hien-Yun; Und als davon die Kund' erging, Erschrocken kam das Volk Man-king, Des Reiches Befehle zu empfangen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 188-190. –
in: Scherr, Johannes (ed.). Bildersaal der Weltliteratur. Aus dem Literaturschatz der Morgenländer (Inder, Chinesen, Hebräer, Araber, Perser, Türken), - der Alten (Hellen und Römer), - der Romanen (Provençalen, Italiener, Spanier, Portugiesen, Franzosen), - der Germanen (Engländer, Deutschen, Niederländer, Isländer, Schweden, Dänen), - der Slaven (Böhmen, Serben, Polen, Russen), - der Magyaren (Ungarn) und der Neugriechen. Stuttgart: Ad. Becker's Verlag, 1848. p. 34. –
in: Jolowicz, Heinrich. Der poetische Orient. Leipzig: Verlag von Otto Wigand, 1853. p. 29f. –
in: Jolowicz, Heinrich. Blüthenkranz morgenländischer Dichtung. Breislau: Verlag von Eduard Trewendt, 1860. –
in: Scherr, Johannes (ed.). Bildersaal der Weltliteratur. Stuttgart: A. Kröner, 1869. p. 13. -
Cai wei 采薇: Lied auf dem Heimmarsch (Anonymous (Shijing))
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Als wir zogen aus, Blühten alle Bäume; Wenn wir ziehn nach Haus, Sind verschneit die Räume. Weite Wege, Schlechte Pflege, Hunger, Durst genug! Niemand kennet, Was mich brennet, Was für Kummer ich ertrug. Als wir zogen aus, Standen schön die Saaten; Kommen wir nach Haus, Sind sie schlecht gerathen. Lange Reise, Schmale Speise! O was ich ertrug Ungebühren, Seit man führen Mich das Schwert ließ statt den Pflug! Schied ich ohne Noth Mich von meinen Lieben? Kaiserlich Gebot Hat mich fortgetrieben, Goldbuchstaben Eingegraben In Platanenholz; Dieses schreckt uns, Dieß erweckt uns Kriegerischen Geist und Stolz.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 176f. –
in: Mehlig, Johannes (ed.). Stimmen des Orients: Arabische, persische, indische und chinesische Dichtungen. Leipzig: Insel-Verlag, 1965. p. 249f. -
Cai wei 采薇: Die Pflanze der Heimkehr. Lied der Grenzwächter (Anonymous (Shijing))
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Wir suchen auf die Pflanze Wei, Und wünschen daß sie zeitig sey; Denn wenn wir sie gezeitigt sehen, Dann dürfen wir nach Hause gehen. Ein Jahr wird's, seit wir zogen aus, Verließen Weib und Kind und Haus, Des Reiches Grenzen hier zu hüten Vor schrecklicher Barbaren Wüthen; O wie wir Tag und Nacht uns in den Waffen mühten! Wir suchen auf die Pflanze Wei. Die Pflanze blüht; bald kommt herbei Die Zeit, die wir so heiß erflehen, Wo wir nach Hause dürfen gehen. Ein Jahr ist's, seit hierher wir sind gezogen fern von Weib und Kind, Zu kämpfen gegen Bösewichter, Hien-Yün genannt die Hundsgesichter, Sie sind der Ruh des Reichs und unsrer Ruh Vernichter. Wir suchen auf die Pflanze Wei. Die Pflanze reift, bald ists vorbei, Dann dürfen wir nach Hause gehen; Inzwischen welkt das Herz in Wehen, Das nach der Heimat sehnend strebt, Und hier vor Frost und Hunger bebt. Wann kommt mit kriegerischen Getösen Die neue Mannschaft, die vom bösen Grenzwachepostendienst uns eilet abzulösen? Wir sammeln ein die Pflanze Wei, Wir sammeln sie mit Lustgeschrei; Die Pflanz' ist reif und hart zu sehen, Nun laßt uns gehn, nun laßt uns gehen! Weh, daß ich nicht verlassen darf Den Posten, diese Pein ist scharf. O, die Geduld ist ausgeglommen, Ich habe fest mir vorgenommen, Zu gehn, zu gehn, zu gehn, und nie zurück zu kommen. Was leuchtet dort und blüht und lacht? Von Ti dem Baum die Blütenpracht? Wer sind die reichgeschmückten Wagen; Die also muth'ge Krieger tragen? Von Elfenbein die Bogen hell, Die Köcher rauh von Meerschweinfell. Sie lösen uns von unserm Posten Nun, Hundsgesichter, sollt ihr kosten Die blanken Waffen, die noch nicht von Heimweh rosten.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 174-176. -
Cao chong 草蟲: Die Erwartende (Anonymous (Shijing))
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Ihr Geschrille schrillt die Grille, Und im Gras Grashüpfer hüpft. Meine Sorge schweigt nicht stille, Und mein Herz mir stets entschlüpft. Ruhe wird mir wieder eigen, Wenn du dich wirst wieder zeigen, Dem mein Herz gehört zu eigen. Auf den Berg bin ich gestiegen, Mir zu sammeln Gras und Kraut. Gräser, Kräuter blieben liegen, Da ich nach dir ausgeschaut; Sie verwelken, und mit ihnen Welken traurig meine Mienen, Weil der Freund mir nicht erschienen. Auf den Berg bin ich geklommen, Mir zu pflücken Blum' und Laub, Doch die Blätter sind verkommen, Und die Blüten all' sind taub. Ob ich dir's zu sagen brauche? Grünen werd' ich gleich dem Strauche, Wenn du kehrst im Frühlingshauche.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 14. –
in: Mehlig, Johannes (ed.). Stimmen des Orients: Arabische, persische, indische und chinesische Dichtungen. Leipzig: Insel-Verlag, 1965. p. 240f. -
Chang di 常棣: Lob des Bruders (Anonymous (Shijing))
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Kein andrer Baum hat wie die Kirsche So helle Blüte doch; Kein ander Wild trägt gleich dem Hirsche Das edle Haupt so hoch. Von allen deinen Altersgleichen Kann keiner an den Bruder reichen; Wen darfst du ihm vergleichen? Im Feld des Todes ist zu schauen, Wie Bruderliebe siegt. Wo das Gefild der Schlacht voll Grauen Bedeckt mit Leichen liegt; Wird Niemand wie dein Bruder eilen, Um dir im Ebnen oder Steilen Ein Bette zu ertheilen. Der Adler horstet hoch, und schauet Herab auf die Gefahr. Wohl dem, der auf den Bruder trauet, Und nicht auf Freudeschaar! Ein Bruder wird die Rettung wagen, Wo die getreuen Freunde zagen, Und nichts als mit dir klagen. Ein Bruder wird es nie vergessen, Daß er an Einer Brust Mit dir geruht, mit dir durchmessen Den ersten Pfad der Luft; Indessen, die sich später kennen, Schon ihre eignen Pfade rennen, Und leicht von dir sich trennen. Es können wol die Brüder hadern In ihres Hauses Wand; Nach außen halten sie wie Quadern Doch gegen Fremde Stand. Wo man nach dir den Streich will führen, Wird ihn an sich dein Bruder spüren, Eh sich die Freunde rühren. Den Bruder hält man wol in Ehren, So lange währt die Noth; Doch wo in Frieden wir verkehren, Kein Sturm dem Hause droht, Gibt's manche denen lieber schienen Des Freundes als des Bruders Mienen; Du halt es nicht mit ihnen! Wenn zu der hohen Ahnenfeyer Dir im geschmückten Haus Die Geige tönet, klingt die Leyer, Und fließt der Wein beim Schmaus; Wenn dir dabei kein Bruder fehlet, Und keiner einen Groll verhehlet, Dann ist dein Fest beseelet. Wenn zwischen deinem Weib und Kindern Und dir ist Einigkeit; O möge nie den Einklang hindern Des Bruders Widerstreit! Doch wenn mit Eintracht auch dawischen Sich deiner Brüder Stimmen mischen, Das wird die Lust erfrischen. So mögest du des Hauses walten, Erfreuend Weib und Kind; In Freuden wirst du langsam altern, Und nicht an Gram geschwind. Du findest wol, wenn du's erwogen, Und mit Erfahrung Rath gepflogen, Ich habe nicht gelogen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 168-170.
We suspect "Freundesschaar" instead of "Freudeschaar" (st. 3, v4). -
Che lin 車鄰: Königsfest (Anonymous (Shijing))
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Die hohen Wagen klingeln all und klirren, Das Ohr erfreut der Laut; Die weißen Ross' in glänzenden Geschirren Mit Lust das Auge schaut. Zu ihres neuen Fürsten Dach Die Edlen alle kommen, Als wie im Frühling Bach um Bach Vom Strom wird aufgenommen. Im Thale drängt sich Eiche, Tann' und Fichte, Der Berg ist strauchbekrönt. Sie sitzen vor des Fürsten Angesichte, Und Geig' und Flöte tönt. Aber heute die Gelegenheit Der Wonne läßt entschweben, Wird leben bis ins Alter weit Ein freudeloses Leben. Die Pappeln sprossen an des Stromes Bette, Vom Thau wird grün der Strauch. Das goldne Blech am Mund der Klarinette Erbebt von sanftem Hauch. Wer heut beim Feste keinen Theil Der Lust sich mag erwerben, Wird künftig leben ohne Heil, Und ohne Freude sterben.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 137. -
Che xia 車轄: Das kleine Fest (Anonymous (Shijing))
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Der Wein ist nicht der beste, Doch trinken wir ein Glas. Gekocht ist nicht für Gäste, Doch komm, wir essen was. Komm, uns vereinen laß Zu einem kleinen Feste! Ich kann mich dir nicht gleichen Im Tanz, es ist dir kund, Und im Gesang muß weichen Dem deinigen mein Mund. Doch laß uns singen und Die Hand zum Tanz uns reichen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 251.
Excerpt of the third stanza of the original poem. -
Chi xiao 鴟鴞: An die Eulen (Anonymous (Shijing))
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Die ihr, widerwärt'gen Eulen, Stehlt die Jungen aus dem Neste! Schonet meines Hauses Säulen, Nehmt mir nicht das beste! Welche Liebesmühe gab ich Mir, o welche Sorgen hab' ich In so vielen Tagen, Meine Jungen groß zu ziehn, getragen! Wenn der Himmel trüb und nächtig Sich umzieht, und droht mit Regen, Wirk' ich muthig und bedächtig Der Gefahr entgegen. Meines Hauses Thür verkleb' ich, Fasern um die Fenster web' ich; Darfst du doch es wagen Mir das Dach, o Pöbel, zu zerschlagen? Ist mir Haus und Hof zertrümmert, Muß ich es von neuem bauen, Lege rüstig und bekümmert Schnabel an und Klauen. Was nur dient das Nest zu spreiten, Schlepp' ich bei von allen Seiten; Ach, von solchen Plagen Müssen Klau' und Schnabel Schwielen tragen. Meine Flügel sind zerschunden, Meine Federn abgewetzet, Meine Schwungkraft hingeschwunden, Und nichts fest gesetzet. Weht der Wind an's Haus, so zittert's, Und der Regensturm durchwittert's; Ach, in solchen Lagen Was denn bleibt mir als mein Leid zu klagen?–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 162f. -
Chu ci 楚茨: Erntefest (Anonymous (Shijing))
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Nur Dorn und Distel wird der Acker tragen, Wenn ihr nicht reutet ihn und reiniget. Und dazu seid ihr von der Urwelt Tagen, O fleißiges Geschlecht, vereiniget. Wohlauf nun, und bescheiniget Die Einsicht und die Kräfte Im würdigsten Geschäfte, Das euch der Himmel aufgetragen. Die Hirse Schu, die Hirse Tsi gedeihet, Die Aehre schwillt, und Scheunen schwellet sie. Eh ihr die Frucht genießt, sei sie geweihet; Dem festlichen Gepräng gesellet sie! Zum Erntefest bestellet sie! Brau't sie zum Ahnentranke, Und spendet sie zum Danke Des Himmels, der dazu sie leihet. Groß ist, ja groß, der Ahn von dem wir stammen, Der aus des Himmels Glanz entsprungene, Der gab den Völkern, die er band zusammen, Die Erde die vom Pflug bezwungene. Blickt aufwerts, o durchdrungene Von Andacht, zu dem Gründer, Dem Opferglutentzünder, Bestreut mit Duft die Opferflammen! Der Geist des Himmels, der in diesen Lüften Den Lebensodem angeschüret hat, Der Geist des Himmels, den in Erdegrüften Das todte Saamenkorn gespüret hat Und lebend sich gerühret hat, Der Himmelsgeist mit Segen Ist wehend hier zugegen; Bestreuet ihm die Glut mit Düften! Und führet her den kräftigsten der Stiere, Der in den Nüstern vollstes Leben hat, Daß am Altare blutend er verliere Den Hauch an den, der ihn gegeben hat. Seht, ohne Widerstreben hat Er her sich lassen lenken Und auf die Knie'e senken, Der Fürst vom Stamm der fleiß'gen Thiere. Wann sich die andern seines Stammes alle Mit uns im glühnden Sommer müheten, Hat er geschmaust im kühlen luft'gen Stalle Die Kräuter die ohn' ihn erblüheten. Die Gluten dort verglüheten, Und die des Opfers glimmen, Dabei wir ihn bestimmen Daß er für all die andern falle. Hand anzulegen will euch mit geziemen, Zum Opfer gastlich eingefundene! Die Haut, bestimmt zu Pflug- und Wagenriemen, Nehmt ihr, die blutig ihm entwundene. Ihr, löset das gewundene Gehörn vom Haupt aufs beste! Beim nächsten Opferfeste Soll man's als schönes Trinkhorn rühmen. Ein Amt beim Fest ist jedem Gast beschieden: Die vollen Kessel unterhaltet ihr; Ihr laßt es braten, und ihr laßt es sieden, Ihr schüret, und die Scheiter spaltet ihr. Des Brotvorrathes waltet ihr, Und ihr des Weins beim Schmause. Da steht die Frau vom Hause, Und lenket alles mit den Augenlieden. Zu Tische rufen Pauk' und Glockentöne; Wie schmausen Gast und Wirth, die einigen! Dem Vater weihen ihren Dienst die Söhne, Wie er dem Ahnherrn selbst dem seinigen. Froh lebe mit den Deinigen! So wünschend, füllt ein Zecher Dem anderen den Becher, Und bis zum Abend währt das Fest, das schöne.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 235-238. -
Chu qi dong men 出其東門: Ehrbare Liebe (Anonymous (Shijing))
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Vor dem Stadtthor ist zu schauen Ein geschmückter Chor von Frauen, Leichten Frühlingswolken gleich. Mögen sie wie Wolken schweben, Und aus Sonnenschimmer weben Ihre Säume farbenreich. Meine Gattin mit dem weißen Kleide, das sie selbst gewoben, Muß mir schöner heißen, Ist mir mehr zu loben. Vor dem Stadtthor sind zu sehen Frau'n, die sich im Tanze drehen, Blumen gleich in Sommerluft. Mögen sie wie Blumen stralen, Weiß und roth die Wangen malen, Würzen ihr Gewand mit Duft! Meine Gattin, mit dem Schleyer Grün, den sie sich selbst getauchet, Hat zur Abendfeyer Mich mit Ruh umhauchet.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 102. -
Da che 大車: Verkannte Liebe (Anonymous (Shijing))
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Laut tönt der große Wagen; Und den er trägt, den seh' ich Kleider tragen Den frischen Binsen gleich an Farben; Doch meine Freuden all verdarben. Wie sollt' ich dein nicht denken? Doch meinen Blick muß ich vor deinem Glanze senken. Der große Wagen gleitet, Und jenen seh' ich, welcher ihn beschreitet, In Kleidern wie Rubin von Farben; Doch meine Wonnen alle starben. Wie sollt' ich dein nicht denken? Allein die Scham verbeut den Schritt nach dir zu lenken. Durft' ich mit dir nicht leben, So sey mir einst mit dir ein Grab gegeben. Und sagst du, daß ich brach die Treue, So ruf' ich an aus jener Bläue Die Sonne, mir zu schenken Zum Zeugen ihren Stral, wie sie mich lieblos kränken.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 87f. -
Da dong 大東: Vertheilung der Glücksgüter (Anonymous (Shijing))
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Die Königsstraß' ist wie ein Wetzstein glatt, Und schwingt sich gradhin wie ein Pfeil im Fluge; Die Fürsten ziehn auf ihr mit Rossen nimmer matt, Das Volk zieht zu dem langen Zuge: Doch ich, wohin ich meine Augen wende, Erblicken sie des Landes Noth ohn' Ende. Im Ostgebiet des Reiches stehen leer Webstühle, die Aufzug und Einschlag missen, Und alle Spulen gehen leer, Die letzten Hoffnungsfäden sind zerrissen. In Leinwandschuhen gehn auf Reif und Frösten Die Reichen selbst, wer soll die Armen trösten? Gemähte Halme pflegt man einzuthun, Man läßt sie draußen nicht im Feld verwittern; Doch von der Arbeit auszuruhn Verwehrt der Seufzer in der Nacht den Schnittern: Die Gräser selber ruhen in den Scheuern, Will Niemand denn auch unsrer Mühsal steuern? Im Ostgebiete liegt die Last Auf Menschen schwerer als sie können tragen. Im Westen trägt man Seide, Taft, Damast, Und ihre Kleider sind mit Pelzwerk ausgeschlagen; Zum Ruderdienst geborene Gesellen Bekleiden dort des Reiches Ehrenstellen. Sie trinken nicht den Wein als Arzeney, Und wenn von Edelstein und Perlen leuchtet Ihr Leib, so meinen sie daß es kein Aufwand sey, Wie Sand und Kies uns ein geringes deuchtet. Uns schimmert nur im glänzenden Gewimmel Die Milchstraß' über unserm Haupt am Himmel. Die Jungfrau strahlt in heller Zier, Gibt doch ihr Prachtgewand mir nicht zu tragen; Und auch der glänzend reine Stier, Nicht spannen läßt er sich an meinen Wagen; Und die nach Süden neigt, die goldne Wanne, Schwingt keine Körner dem gemeinen Manne. Der Löffel nördlich, der den blanken Stiel Nach Westen kehret, dient mir nicht zum Schöpfen; Er ist ein glänzend Augenspiel, Das uns will trösten bei den leeren Töpfen. Die alle sind allein des Himmels Zierde, Kein Gegenstand für menschliche Begierde.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 229f. –
in: Scherr, Johannes (ed.). Bildersaal der Weltliteratur. Aus dem Literaturschatz der Morgenländer (Inder, Chinesen, Hebräer, Araber, Perser, Türken), - der Alten (Hellen und Römer), - der Romanen (Provençalen, Italiener, Spanier, Portugiesen, Franzosen), - der Germanen (Engländer, Deutschen, Niederländer, Isländer, Schweden, Dänen), - der Slaven (Böhmen, Serben, Polen, Russen), - der Magyaren (Ungarn) und der Neugriechen. Stuttgart: Ad. Becker's Verlag, 1848. p. 34. –
in: Jolowicz, Heinrich. Der poetische Orient. Leipzig: Verlag von Otto Wigand, 1853. p. 22f. –
in: Jolowicz, Heinrich. Blüthenkranz morgenländischer Dichtung. Breislau: Verlag von Eduard Trewendt, 1860. -
Da ming 大明: Wen-Wang und sein Sohn Sohn U-Wang (Anonymous (Shijing))
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Des Himmels Zeichen stralen klar, Und sind auf Erden überall zu schauen. Dem Himmel trauen, bringt Gefahr, Wenn kein Verdienst begründet dein Vertrauen; Wie die von Schang nicht halten mochten Die Königsmacht auf die sie pochten, Als unter Gottes Schutz Wen-Wang das Reich erfochten. Des Himmels Zeichen stralen hoch, Und rings auf Erden sichtbar sind die Zeichen. Der Himmel selber wirft das Joch Den' Nacken über, und wer kann entweichen? Da Männer nicht entrinnen mochten, Ward einer Jungfrau Kranz geflochten: Den Sieg gebar ein Weib vom Stamm der Unterjochten. Das kaiserliche Kind von Schang Ward mit Wang-Ki, dem Fürsten Tschiu's, vermählet, Daraus Wen-Wang der Held entsprang, Von welchem an die neue Zeit sich zählet. Zu hohem Preis ist sie erkohren, Sie hat zu neuem Stamm geboren Das Licht des Himmels, das ihr eignes Haus verloren. Das ist Wen-Wang, der ungetrübt Den Dienst des höchsten Herrn der Welten übte. Weil er den reinen Dienst geübt, Ward ihm das reine Glück das ungetrübte. Weil sie an Klarheit und an Milde Ihn sahen nach des Himmels Bilde, Sahn rings mit Huldigung auf ihr des Reichs Gefilde. Der Himmel wacht hernieder auf Die Erde, die sich unter'm Aug' ihm breitet. Des Himmels Schluß geht seinen Lauf, Und auch Wen-Wang's Vermählung ward bereitet. Die Taube flog in Adlernester, Der besten ward vermählt ein bester; Er war des Himmels Sohn, sie schien des Himmels Schwester. Da war ein himmlischer Beschluß Ob dir, Wen-Wang, und deinem Sohn ergangen; Die Brücke hast du über'n Fluß Gelegt, hinüber wird dein Sohn gelangen. Mit Milde hat Wen-Wang bereitet Den Weg, auf dem mit Kraft nun schreitet U-Wang zum Thron der Welt vom Himmel selbst geleitet. Das Haus von Schang hat Heer an Heer, Und stellt wie Wälder seine Reihen dichte; Im Feld Mu-Je starrt Speer an Speer, Doch unser Häuflein glänzt von Gottes Lichte. So ward da zu U-Wang gesprochen: Laß nicht dein Herz in Zweifel pochen; Dir steht zur Seite der des Feindes Macht gebrochen. Zusammen Rathes pflogen sie, Sein tapfrer Feldherr und der Fürst der klare; Und mit einander flogen sie Zum Angriff, wie ein Falk mit einem Aare. Am blauen Himmel stand geschrieben: Der Feinde Macht ist aufgerieben! Da war der' Unsern Sieg nicht zweifelhaft geblieben.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 269-271. -
Da shu yu tian 大叔于田: Schu der Edle, 2. "Schu gehet jagen, lenket viergespannten Wagen" (Anonymous (Shijing))
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Schu der Edle gehet jagen, Lenket viergespannten Wagen, In der Hand ihm werden weich Zügel seidnen Fäden gleich. Rosse sich vor'm Wagen heben, Die weit auseinander streben, Die, gelenkt von seinen Schnüren, Tänze scheinen aufzuführen. Nieder läßt sich Schu im Schatten, An der Flut auf grünen Matten, Schürt ein hohes Feuer an, Das die Sonne blenden kan. An die Jagd geht Schu der Krieger, Preßt an's nackte Herz den Tieger; Ihm den Athem pressend aus, Trägt er ihn in's Königshaus. Schone schone deiner Schwiele! Spiele nicht so kühne Spiele! Wenn dich selbst nicht die Gefahr, Tödtet mich der Schreck fürwahr.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 91f. -
Da tian 大田: Der Landwirth (Anonymous (Shijing))
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Großes Feld erheischet große Sorgen; Zieht hervor das Ackerbaugeräth, Wo es ruht in's Winterhaus geborgen, Zieht's hervor und jeden Fehl erspäht! Schon im Stalle witterten die Stiere Frühlingsodem, brüllten dem Beruf Laut entgegen; auf, und brauchet ihre Kraft wozu der Himmel sie euch schuf. Wollt ihr alten Rost vom Pfluge scheuern? Drücket in den Boden tief ihn ein; Und die Erde, die sich fühlt erneuern, Scheuert ihn, der Wohlthat dankbar, rein. Werft den reinen unvermischten Saamen In den Wind, der ihn nach Luft verstreut! Wo ihn auf die stillen Furchen nahmen, Sich die Egg' ihn zu begraben freut. Bald der Erde fordern Himmelslüfte Anvertrautes Gut mit Schmeicheln ab, Und zur Wiege wandeln sich die Grüfte, Nichts behält der Grund was man ihm gab. Zarte Spitzen keimen, Halme sprossen, Und die markigen Körner schießen an. Aus dem Wege räumet unverdrossen Alles was den Segen hindern kann! Was mit Wurzeln in die Tiefe dringet, Und der Lebenspflanze Nahrung raubt; Was mit Rankungen den Halm umschlinget, Und ihm frey zu steigen nicht erlaubt. Was mit breiten Blättern schädlich schattet, Und die Aehren machet taub und dumpf, Was dem Korne gift'ge Körner gattet, Alles rottet aus mit Stiel und Stumpf! Doch ein kriechend wühlendes Gewimmel, Was an Sproßen nagt, an Blättern klebt, Reinen Trieb beschmitzt mit eklem Schimmel, Von des Lebenskeims Zerstörung lebt; Wie vermögt ihr alles abzuwehren? Rufet an den Geist, in dessen Hut Unsrer Felder Früchte stehn: verzehren Müss' er das Geschmeiß mit Feuerglut! Doch aus vollen Wolkenurnen schenk' er Unsern Saaten fröhliches Gedeihn. Erst den Strom zu dem Bezirke lenk' er, Wo des Kaisers reift die Frucht, nicht mein. Dann gelang' er zu dem kleinern Raume, Deß Ertrag mein Haus in Anspruch nimmt; Und nicht übergeh' er, was am Saume Wächst, der Armuth zum Geschenk bestimmt. Schnitter! lasset hier die Halme stehen, Laßt sie liegen, Garbenbinder! hier, Daß die Wittwen, wenn sie sammeln gehen, Nicht vergebens kommen her zu mir.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 242-244. -
Dang 蕩: Fürstenspiegel (Anonymous (Shijing))
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O wie furchtbar, wie erhaben schreitet Das Gericht des höchsten Himmelsherrn Ueber'n Kreis der Welten, und verbreitet, Wo es auftritt, Schrecken nah und fern. Herrlich hebt alswie ein Stern Hier sich auf sein Winken Ein Geschlecht, um hoch zu blinken, Und dann plötzlich wie ein Stern zu sinken. Hat der Himmel dir verliehn das Leben, Darfst du doch nicht seiner Huld vertraun, Denn sie nimmt dir was sie dir gegeben, Seine Gunst erfüllet dich mit Graun. Jedem gab er, anzubaun, Mit ein Korn der Güte; Doch wie selten ein Gemüthe Bringt den guten Keim zur vollen Blüte! Wen-Wang, unser Ahnherr, sprach mit Stöhnen, Als das Haus von Schang dem Ueberschwang Aller Laster nun begann zu fröhnen: Unglückseliges Geschlecht von Schang! Du bist reif zum Untergang; Denn es scheint beschlossen, Daß in dir nur Männer sprossen, Die zu allem Guten sind verdrossen. Wen-Wang unser Stifter sprach mit Stöhnen: Unglückseliges Geschlecht von Schang, Ganz mit allen Gliedern, Brüdern, Söhnen, Ungetreu dem hohen Ursprung lang! Und du letzter, der entsprang Dem verderbten Stamme, Du wirst nicht entgehn der Flamme; Sieh, ob dich nicht eigne Schuld verdamme. So mit Stöhnen Wen-Wang, unser Stifter: Weh dir, unglücksel'ger Königssproß! Warum räumst du deiner Ruh Vergifter Nicht aus deinem Land, aus deinem Schloß? Warum lässest du den Troß Uebermüth'ger Knechte Hohn dem menschlichen Geschlechte Sprechen, und zertreten seine Rechte? So mit Stöhnen Wen-Wang, unser Gründer: Weh dir, unglücksel'ger König, Weh! Theilhaft machst du dich der Schuld der Sünder, Die in deinem Dienst ich sünd'gen seh, Frevler, wo ich geh und steh, Deren Urtheilsprüche, Athmend Raub und Blutgerüche, Dich verflechten in des Volkes Flüche. Also Wen-Wang unter Thränenfluten: Ach, von Schang verlorner König, ach! Aufzubringen gegen dich die Guten Bist du stark, in allem andern schwach. Schwach gibst du den Bösen nach, Die in bösen Zeiten Doch für dich nicht werden streiten, Wo die Guten dir nicht stehn zur Seiten. Also Wen-Wang, tief von Schmerz durchdrungen: O, von Schang verlorner König, o! Rausch hat deine Heiterkeit verschlungen, Und die Frische deine Wangen floh. Nicht mehr fragst du, wann und wo Du der Lust nachhängest, Der du Tag und Nacht vermengest, Und in's Heiligthum das Schwelgen drängest! Also Wen-Wang, tief bewegt von Leide: Armer König ohne Glück und Ruh, Unstet wie die Heuschreck auf der Haide, Und wie wildes Wasser brausest du, Das sich stürzt dem Abgrund zu, Niemand hemmt sein Brausen; Ringsum sieht's dein Reich mit Grausen, Selbst mit Grausen sehn's die Fremden draußen. Also Wen-Wang seufzend: Ja, dem Staate Kommt vom Himmel die gesetzte Zeit; Denn der König zieht nicht mehr zu Rathe Die Geschichte, die Vergangenheit. Nicht mehr will er im Geleit Heiliger von allen Anerkannter Satzung wallen; Ja, der Himmel will ihn lassen fallen! Also Wen-Wang, vom Gefühl ergriffen: Weh dir, König, und o Weh dir, Reich! Zittre, Baum! das Beil, es ist geschliffen; Stürze Stamm! getroffen hat der Streich. Wipfel wird der Wurzel gleich, Ab vom Stumpf gehauen Glied um Glied; nun lasset schauen, Was wir Gutes aus dem Holze bauen! Also Wen-Wang vom Gefühl ergriffen: Letzter Zweig vom vormals edlen Stamm! War dir nicht ein Spiegel hell geschliffen? Was verdeckst du seinen Glanz mit Schlamm? Ließest du dich warnen am Fall von Hia und mahnen! Weil sie giengen gleiche Bahnen, Ward ihr Thron zum Throne deiner Ahnen. Also Wen-Wang, der umsonst den Spiegel Hielt vor's Angesicht dem Haus von Schang. Denn besiegelt mit des Himmels Siegel War dem Hause Schang der Untergang. Und das Haus von Wen-Wang schwang Mit des Adlers Schnelle Sich empor zu jener Stelle, Wo den schwachen blendet leicht die Helle. Haus von Schang! es hat dich nicht gerettet, Was du selbst gethan am Hause Hia. Kinder Wen-Wang's! daß ihr Weisheit hättet, Merkte, was durch euch an Schang geschah! Doch das Haus von Schang hat ja sich nicht lassen mahnen, Und ihr geht auf gleichen Bahnen Ihnen nach, ohn' euern Fall zu ahnen. O wie furchtbar, wie erhaben schreitet Das Gericht des höchsten Himmelsherrn Ueber'n Kreis der Welten, und verbreitet, Wo es auftritt, Schrecken nah und fern. Herrlich hebt alswie ein Stern Hier sich auf sein Winken Ein Geschlecht, um hoch zu blinken, Und dann plötzlich wie ein Stern zu sinken.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 307-311. –
in: Scherr, Johannes (ed.). Bildersaal der Weltliteratur. Aus dem Literaturschatz der Morgenländer (Inder, Chinesen, Hebräer, Araber, Perser, Türken), - der Alten (Hellen und Römer), - der Romanen (Provençalen, Italiener, Spanier, Portugiesen, Franzosen), - der Germanen (Engländer, Deutschen, Niederländer, Isländer, Schweden, Dänen), - der Slaven (Böhmen, Serben, Polen, Russen), - der Magyaren (Ungarn) und der Neugriechen. Stuttgart: Ad. Becker's Verlag, 1848. p. 33. –
in: Jolowicz, Heinrich. Der poetische Orient. Leipzig: Verlag von Otto Wigand, 1853. p. 36f. –
in: Jolowicz, Heinrich. Blüthenkranz morgenländischer Dichtung. Breislau: Verlag von Eduard Trewendt, 1860. –
in: Scherr, Johannes (ed.). Bildersaal der Weltliteratur. Stuttgart: A. Kröner, 1869. p. 12f. -
Di dong 蝃蝀: Schönheit von freyen Sitten (Anonymous (Shijing))
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Seht den prächt'gen Regenbogen, Aber nach ihm deutet nicht! Denn wer deutet ungewogen, Muß es büßen, wie man spricht. Ei wie hell, ei wie licht Kommt die Schönheit aufgezogen! Ist es wol ein Junggesell, Der ihr in die Augen sticht, Weil sie blickt so grell? Ihrer Brüder Hut ist sie entflogen. Seht den schönen Regenbogen, Aber zeiget nicht danach! Zeigefinger ungezogen Büßt mit Blätterchen die Schmach. Seht den Glanz tausendfach An ihr auf und nieder wogen! Gehet sie vielleicht zum Tanz, Oder andern Spielen nach? Es gemahnt mich ganz: Ihre Eltern sind an ihr betrogen. Seht das farbige Geflatter, Saget ihm nichts Böses nach! Jeden Mund trifft böse Blatter, Der davon ein Wörtchen sprach. Schöner Dunst, wie so jach Wechseslt du mit nimmer matter Kunst! O der Sitten, o der Schmach! Sie beut ihre Gunst Offen feil, und achtet kein Geschnatter.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 65f. -
Di du "You di zhi du, qi ye xu xu" 杕杜 "有杕之杜,其葉湑湑": Der Verlassene (Anonymous (Shijing))
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Weh daß meine Verwandten Sich meiner abgethan, Und von meinen Bekannten Nimmt keiner mein sich an. Wer will mir Vater werden? Wer will mein Bruder seyn? Wie ist verlassen auf Erden, Wer ohne Bruder steht allein!–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 127.
Excerpt of the first stanza. -
Di du "You di zhi du, you huan qi shi" 杕杜 "有杕之杜,有睆其實": Unterredung aus der Ferne (Anonymous (Shijing))
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"Frühling bringt die langen Tage, Und den Fluren neues Grün, Doch kein Ziel der langen Plage, Keine Rast der Kriegesmühn. Das Barbarenvolk Hien-Yün Schwillt im Lenz mit neuen Kräften, Wie der Baum mit frischen Säften, Fordert unser Beil zu neuem Schlage. "Frühling bringt die hellen Tage, Und der Freude Lichter sprühn; Doch nicht endet meine Klage, Und die Hoffnung darf nicht blühn. Seit mein Gatte schön und kühn Zog im kriegerischen Geschmeide, Wechseln Fluren mit dem Kleide, Ich nicht mit dem Leide das ich trage. "Süßer Birnbaum, deiner Schatten Denk' ich unter Sommerduft, Süße Gattin, die dem Gatten Jetzt mit Sehnsuchtstimmen ruft; Durch der Trennung weite Kluft Einen Friedenshauch mir schicke, Der in Schlachten mich erquicke, Bis der Sieg die Heimkehr wird gestatten! "Armer Birnbaum, der die matten Zweige breitet in die Luft; Kummer lichtet meine Schatten, Gram verzehret meinen Duft. Laut nach ihrem Thaue ruft Meiner welken Blüten jede: Himmel, ende diese Fehde! Gib zurück der Gattin ihren Gatten! "Wenn wir nur den Berg erstiegen, Der im Süden vor uns liegt, Sehen wir die Heimat liegen, Welcher zu die Sehnsucht fliegt. Wackre Rosse, nicht erliegt Der Ermattung! nicht zerbrechet, Morsche Achsen! mir versprechet, Vollends mich bis dort hinab zu wiegen! "Hat er jetzt den Berg erstiegen, Der im Norden vor mir liegt? Seh' ich seine Rosse fliegen, Und den Wagen, der ihn wiegt? Ahnungen, wenn ihr nicht triegt, Wenn nicht die Orakel trogen, Wenn nicht alle Zeichen logen, Wird ihn heut noch dieser Arm umschmiegen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 177-179. -
Ding zhi fang zhong 定之方中: Der Bau des Fürstenhauses (Anonymous (Shijing))
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Als Ting, der Stern, in den Meridian Getreten war, der Stern zum Häuserbauen, Hob man das Fürstenhaus zu bauen an Im Lande Tschu auf wasserreichen Auen. Das Loos, geworfen, sagte Gutes aus; Der Sonne Schatten ward mit Fleiß gemessen; Nach Süden ward gewandt das Vorderhaus, Und Bäum' umher zu Pflanzen nicht vergessen. Hier stehn die Bäume, deren Blüte schmückt, Und hier die andern, welche Früchte tragen; Hier die, aus deren Beeren Oel man drückt, Hier, deren Laub die Seidenspinner nagen. Die Bäume hier, aus deren Stamm man haut Die Tafeln, die der Nachwelt Kunde bringen; Die Bäume dort, aus deren Holz man baut Die Instrumente die zum Fest erklingen. Nun laßt uns kundenwerthe Thaten thun, Abwechselnd Kriegs- und Friedenstänze tanzen. Still ruht der Feind; doch, will er nicht mehr ruhn, So wächst um's Fürstenschloß ein Wald von Lanzen. Dreitausend Rosse zieht der Fürst im Stall, Die mit dem Haupt an sieben Fuß hoch ragen, Und so viel Männer stehn auf seinem Wall, Wie solche Rosse würdig sind zu tragen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 68f. -
Dong fang wei ming 東方未明: Der geplagte Diener (Anonymous (Shijing))
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Eh es Tag ward, sprang ich auf, Meine Schuhe zog ich an verkehret; In der Eile, wie's der Herr begehret, Lief ich meines Dienstes Lauf. Eh es tagt, spring' ich empor, In das Kleid bin ich verkehrt gefahren. Kehr' ich's um? Kein Schelten wird er sparen, Wenn ich so die Zeit verlor. Seine Hand verletzt am Dorn, Wer mit Dörnern zäunen muß den Garten. Unsers Königs Dienst ist schwer zu warten, Denn er ist voll jähem Zorn. Tages und der Nacht Gebiet, Wer nicht beides Morgens weiß zu trennen, Sollte doch den Unterschied erkennen Abends wenn er's betrunken sieht. Wer am frühen Morgen wacht, Sollt' am späten Abend ruhen dürfen; Doch es ist in unsres Herrn Entwürfen Lauter Tag und keine Nacht.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 107f. -
Dong fang zhi ri 東方之日: Das Licht im Hause (Anonymous (Shijing))
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1. Die aufgegangne Sonne, Das heißt ein schönes Weib in klarer Wonne, Verweilt in meines Hauses Mitten, Und geht mir leise nach auf allen Schritten. Der Mond der aufgegangne, Das heißt das schöne Weib das glanzumfangne, Lehnt sich an meines Hauses Pforten, Und folgt mit Lächelblick mir hin nach allen Orten. 2. Die aufgegangne Sonne stand, Mein junges Weib im Morgenflore, Sie stand an meines Hauses Thore, Und winkte, da ich gieng, mir nach mit weißer Hand. Der Mond der aufgegangne, Das junge Weib im Abendflore, Sie steht an meines Hauses Thore; Wie wird von ihr begrüßt der schön empfangne!–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 110. –
in: Grabow, Hans (ed.). Die Lieder aller Völker und Zeiten, in metrischen deutschen Uebersetzungen und sorgfältiger Auswahl. Hamburg: Verlag von G. Kramer, 1880. p. 421. -
Dong men zhi chi 東門之池: Von der Hanf-Röste (Anonymous (Shijing))
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Vorm Thore, wo die Gruben sind, Darin den Hanf man röstet. Sie ist ein liebes gutes Kind; Wie süß und lind Sie mit Gesang mich grüßt und mich vertröstet! Vorm Thore, wo die Gruben sind, Darin den Hanf man weichet. Sie ist ein liebes kluges Kind; Wie sie geschwind Den Sinn von allem, was man sagt, erreichet! Vorm Thore, wo die Gruben sind, Darin den Hanf man wässert. Sie ist ein liebes frommes Kind; Wo ungelind Sie war einmal, o wie sie's schnell verbessert!–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 147f. -
Dong men zhi fen 東門之枌: Der Müßiggänger (Anonymous (Shijing))
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Vor dem Thore steht die Eiche, Und die Ulme wächst am See. Drunter sitzt der ihnen gleiche Sorgenfeye Sohn von Tsee. Einen Glückstag wählt er eben, Um auf's Feld sich zu begeben; Dort wird er den Mais nicht pflanzen, Aber einen Reihen tanzen. Einen Glückstag wählt er aus, Und verfügt sich aus dem Haus; Zwar wird er den Hanf nicht sän, Aber doch spazieren gehn.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 146. -
Dong men zhi shan 東門之墠: Das Haus vor der Stadt (Anonymous (Shijing))
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Vor dem Thor der Stadt Sind die Wege glatt, Sind die Wege glatt und eben, Und das Gras wächst an den Gräben. An der Seite steht ein Haus, Doch der Herr tritt nicht heraus. Vor dem Thor der Stadt, Mit dem breiten Blatt Schatten die Kastanienbäume Ueber Gärten, Höf' und Räume. Bist du wol gezogen aus? Oder bist nicht mir zu Haus? Vor dem Thor der Stadt Sind die Wege glatt. Ach, auf glatten, glatten Wegen Gieng ich, gieng ich deinetwegen, Wollte ruhn bei dir im Haus, Und nun schließest du mich aus!–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 100. -
Dong men zhi yang 東門之楊: Abendklage (Anonymous (Shijing))
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Vorm Ostthor stehn die Weiden Mit Zweigen hoch und dicht. "Dahin laß dich bescheiden, Ich komm' im Abendlicht." Der Abendstern schon bricht Hervor, um zu bekleiden Mit goldnem Saum die Weiden, Und sie erscheinet nicht. Vorm Ostthor stehn die Weiden Mit Zweigen hoch und dicht. "Dahin laß dich bescheiden, Ich komm' im Abendlicht." Der Abendstern schon bricht Hervor, um sich zu weiden Am Anblick meiner Leiden, Und sie erscheinet nicht.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 148. –
in: Schmidt, Ferdinand (ed.). Frühling und Liebe. Eine Auslese von Gedichten aller Zeiten und Völker. Berlin: 1851. –
in: Wollheim da Fonseca, Anton Edmund. Die National-Literatur sämtlicher Völker des Orients. Eine prosaische und poetische Anthologie aus den besten Schriftstellern des gesamten Orients. Berlin: Verlag von Gustav Hempel, 1869. p. 829. –
in: Goldscheider, Ludwig (ed.). Die schönsten Gedichte der Weltliteratur. Ein Hausbuch der Weltlyrik von den Anfängen bis heute. Wien, Leipzig: Phaidon-Verlag, 1933. p. 52f. -
Dong shan 東山: Der Reichsfeldherr Tschiu-Kong (Anonymous (Shijing))
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Zum Ostgebirge zogen wir hinaus, Und lange durften wir zurück nicht kehren. Wir kehren, und Gewölke schwarz und kraus Ziehn, um den Blick zum Westen uns zu wehren. Was steht uns nun bevor zu Haus? Wir legen ab die kriegerischen Wehren, Und schon entlassen ist des Heeres froher Braus. Im Maulbeerbaum verborgen sitzt die Grille, Sie scheinet mit eintönigem Geschrille Willkommen uns zu heißen in der Stille. Im Ostgebirge zogen wir umher, Und lange konnten wir von dort nicht kommen. Wir kommen, und der Himmel wolkenschwer Hat auf die Heimat uns den Blick benommen. Entlassen ist das laute Heer; Ich seh' gedankenvoll, doch unbeklommen, Der Höfe weiten Raum voll Gras und menschenleer. Den Webstuhl hat die Spinn' ans Thor gestellet, Der Hirsch sein Lager meinem Bett gesellet, Der Leuchtwurm schimmernd mein Gemach erhellet. Im Ostgebirge fanden wir nicht Rast, Wir kommen nun im Westen sie zu finden. Der Himmel wälzt der Wolken Regenlast, Und alle kriegerische Scenen schwinden. Die Taube girrt vom dürren Ast, Die Gattin seufzt, nun wird sie dich umwinden, Der Hausherr tritt ins Haus als ungewohnter Gast. Es wird gefegt, bald wird es wieder prangen, Und wieder seh' ich, was ich nicht seit langen Drei Jahren sah, vom Baum den Kürbis niederhangen.–
in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 159f.
Note that the poem's translated title is spelled "Der Reichsfeldherr Tschin-Kong" in the quoted book's table of contents.